Für verbindlich erklärte Önormen sind "frei"!Der Verfassungsgerichtshof hat in seiner Entscheidung G 104/2013-10 festgehalten, dass durch die verbindliche Erklärung und die Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt eine Önorm Bestandteile jener Rechtsvorschrift wird, die die Verbindlicherklärung vornimmt. Die für verbindlich erklärte und im Bundesgesetzblatt veröffentlichte Önorm teilt in der Folge auch das urheberrechtliche Schicksal dieser Rechtsvorschrift; die Önorm ist daher ein freies Werk im Sinne des § 7 Abs. 1 des Bundesgesetzes über das Urheberrecht an Werken der Literatur und der Kunst und über verwandte Schutzrechte (Urheberrechtsgesetz). Anlassfall war der Individualantrag einer Rechtsanwaltskanzlei, welche eine Veröffentlichung zum Thema Baurecht vorbereitet hat, in die sie auch einschlägige, für verbindlich erklärte Normen aufnehmen wollte. Die Veröffentlichung sollte insbesondere auch die Önorm B 1600 sowie weitere in den OIB-Richtlinien zitierten Normen umfassen. Die Bestimmungen sind im Baurecht der Bundesländer Oberösterreich, Salzburg, Kärnten und Wien für verbindlich erklärt worden. Die Anwaltskanzlei hat daraufhin das Normungsinstitut um Zustimmung zur kostenlosen Veröffentlichung dieser Normen ersucht. Das Normungsinstitut verweigerte dies jedoch, da lediglich im Bundesgesetzblatt abgedruckte Önormen kostenlos in eine Publikation aufgenommen werden könnten. Prinzipiell ist anzumerken, dass Önormen per se keine rechtliche Verbindlichkeit zukommt. Sie können aber auf privatrechtlicher Basis Verbindlichkeit erlangen oder vom Gesetz- bzw. Verordnungsgeber per Gesetz oder Verordnung in Teilen oder zur Gänze für allgemein verbindlich erklärt werden. Ist dies der Fall, dann sind diese jedermann öffentlich zugänglich zu machen. Eine verbindlich gemachte Önorm ist somit als freies Werk anzusehen und steht demnach einer Vervielfältigung dieser Norm nichts entgegen bzw. darf für diese auch kein Entgelt verlangt werden.
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